Die Versicherungswirtschaft steht nach schadenreichen Ereignissen vor einer drastischen Sanierungswelle. Unser Haus erreichen zur Zeit täglich Vorstellungen der Versicherer zur Neuausrichtung von Versicherungsprodukten bei gleichzeitigen Deckungseinschränkungen sowie Reduzierungen von Zeichnungskapazitäten und zum Teil drastischen Prämienerhöhungen. Die Versicherer handeln hier nicht einheitlich, gleichfalls aber mit einem starken Willen zur Sanierung. Lesen Sie bitte unsere Prognose zu den wichtigsten Sparten:
Im Bereich der D&O-Versicherung ist die Grundschadenlast in den letzten Jahren stark angestiegen. Insbesondere Einigungen im Bereich von Großschäden, z. B. VW haben die Kassen der Versicherer stark belastet. Die Versicherer reagieren mit Deckungseinschränkungen, Ausschluss von bestimmten Branchen, Erhöhungen der Selbstbeteiligungen, Reduzierung ihrer Zeichnungskapazität und deutlichen Preisanhebungen; so sind Prämienanpassungen um 30 % bis 40 % keine Seltenheit.
Die junge Sparte der Cyber-Versicherung betrachten wir sorgenvoll. Versicherer haben in den letzten Jahren man-gels Erfahrung Risiken auf niedrigem Prämienniveau eingekauft. Populäre Schadenereignisse im Einzelhandel, in der Versicherungswelt und weiten Teilen der Wirtschaft führten zu extremen Schadenbelastungen. Einzelne Versicherer ziehen sich aus der Sparte Cyber zurück. Risikodialoge zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer führen dazu, dass Deckungen eingeschränkt werden, u. a. die Betriebsunterbrechung infolge eines IT-Ereignisses, schlimmstenfalls Risiken nicht mehr gezeichnet werden. Versicherer erklären, dass Kapazitäten sowohl im Vertrag als auch in den eigenen Büchern reduziert werden und setzen dies stringent um. Prämienanpassungen von bis zu 100 % sind aktuell möglich.
Der Sachversicherungsmarkt reagiert im Vergleich zu den beiden erstgenannten Sparten geradezu entspannt. Die gestiegene Schadenlast führt allerdings dazu, dass Versicherer in der Breite Beitragserhöhungen durchsetzen wollen. Die Vorstellungen der Versicherer auf Prämienerhöhungen bewegen sich zwischen 10 % und 20 %, bei schwierigen Risiken auch bis zu 50 %. Dabei sind die jüngsten Elementarereignisse wie die z. B. durch „Bernd“ ausgelösten Schäden noch nicht bzw. nur zu einem geringen Teil in den Bilanzen der Versicherer angekommen. Der Rückversicherungsmarkt meldet bisher eher geringe Belastungen. Wir gehen davon aus, dass die Reaktion auf diese Ereignisse erst in der nächsten Verlängerungsrunde (2022/2023) Auswirkungen haben wird.Der Bereich der Haftpflichtversicherung läuft derzeit eher unauffällig. Zu Beginn des Jahres haben wir Tendenzen be obachtet, dass auch hier Versicherer Vorstellungen zur Preissteigerung äußerten, zwischenzeitlich jedoch Vertragsverlängerungen auf dem Vorjahresniveau anbieten. Andererseits zeigen sich insbesondere für exponiertere Risiken und schadenbelastete Verträge Tendenzen zur Marktverhärtung.
Generell ist festzuhalten, dass sich die hier aufgezeigten Trends in ganz Europa (inkl. UK) und den US-Amerikanischen Märkten widerspiegeln. Ein Ausweichen in diese Märkte ist also keine Option. Wir müssen an dieser Stelle besonders unterstreichen, dass die Qualität zu zeichnender Risiken sehr maßgeblich für die Reaktionen der Versicherer ist. Insbesondere im Bereich der Cyber-Versicherung gewinnt der alte Aspekt des Risikomanagements an Bedeutung. Früher war es z. B. in der Sachversicherung maßgeblich, einen adäquaten und vom Verband der Sachversicherer anerkannten Brandschutz zu haben, heute entsteht eine Versicherbarkeit im Bereich Cyber nur, wenn keine ungewarteten Altsysteme, eine ordentliche Segmentierung und aktuelle Schutzsoftware installiert bzw. gegeben sind. Also eigentlich nichts Neues, wenngleich die Komplexität gestiegen ist.
Wie reagieren wir? Es gilt die alte Maxime, dass ein Wettbewerb unter den Versicherern zu einem guten Preis-/Leistungsgefüge führt. Offen gesagt müssen wir aber auch festhalten, dass sich die Forderung in den notleidenden Sparten (D&O und Cyber) nicht einfach wegdiskutieren lassen.
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